Böden sind weltweit der größte terrestrische Speicher für organischen Kohlenstoff. Sie speichern sogar mehr als doppelt so viel Kohlenstoff wie die Atmosphäre. Organischer Kohlenstoff ist von grundlegender Bedeutung für die Nährstoffversorgung, das Wasserspeichervermögen von Böden und damit auch für die biologische Vielfalt sowie den globalen Kohlenstoffkreislauf. Die größte Gefahr für Böden und ihre Funktionen ist die Landnutzung und der Flächenverbrauch durch die Menschen. Der enorme Flächenverbrauch in Deutschland und weltweit hängt daher eng mit der Klima- und der Biodiversitätskrise zusammen und widerspricht damit einer sozial-ökologischen
Transformation unserer Gesellschaft. Eines der Hauptanliegen der Fachgruppe Umwelt der NaturFreunde Rheinland-Pfalz ist es sich für einen sparsameren Flächenverbrauch einzusetzen.
Flächenverbrauch bezeichnet die Umwandlung insbesondere von landwirtschaftlichen oder naturbelassenen Flächen in „Siedlungs- und Verkehrsfläche“. Laut dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit werden im Moment in Deutschland täglich rund 52 Hektar als Siedlungsflächen und Verkehrsflächen neu ausgewiesen. Da der Flächenverbrauch ein schleichender Prozess ist, nehmen Bürger*innen und selbst politische Entscheidungsträger*innen dieses Problem kaum wahr.
Fläche kann man im eigentlichen Sinne natürlich nicht verbrauchen, aber u. a. natürliche Bodenfunktionen und für den Naturschutz wichtige Lebensräume schon. Die Qualität und insbesondere die Leistungsfähigkeit der Böden im Ökosystem müssten viel stärker berücksichtigt werden. Eine Bewertung der Böden allein nach Fruchtbarkeit und Bodenpunkten sind für den Natur- und Klimaschutz nicht zielführend. Alle Böden und gerade die Vielfalt der Böden sind unbedingt schützenswert. Böden sind nicht künstlich herstellbar, vielmehr sind sie das Ergebnis extrem lang andauernder bodenbildender Prozesse und damit ist der Boden eine endliche Ressource. Einmal versiegelt, verlieren Böden ihre natürlichen Funktionen.
Der Flächenverbrauch ist allerdings nicht gleichzusetzen mit Flächenversiegelung. Siedlungsflächen und Verkehrsflächen umfassen neben den versiegelten Böden zum Beispiel auch Erholungsflächen. Stadtparks sind aber ökologisch weniger wertvoll als zusammenhängende, naturbelassene Grünflächen. Eine amtliche Statistik zu den wirklich versiegelten, d. h. bebauten Flächen gibt es nicht. Im Jahr 2018 waren nach Schätzungen der Länder rund 45 % der Siedlungs- und Verkehrsflächen versiegelt. Mit der Flächeninanspruchnahme wird nicht nur Freiraum umgewidmet, wichtige Bodenfunktionen zerstört, sondern oft auch Landschaft durch Beeinträchtigung und Entwertung "verbraucht". Also auch Landschaftsschutz und ästhetische Aspekte spielen hier eine Rolle.
Da das Thema Flächenverbrauch ganz eng mit dem Erhalt der Biodiversität und dem Klimaschutz zusammenhängt, hat es sowohl in der Nachhaltigkeitsstrategie, in der Nationalen Biodiversitätsstrategie sowie im Klimaschutzplan 2050 Eingang gefunden. Allerdings fehlt es hier an rechtlicher Verbindlichkeit. Das Baugesetzbuch hat den Vorrang der Innen- vor der Außenentwicklung rechtlich verankert. Dieser Rechtsgrundlage steht allerdings z. B. der 2017
befristetet eingeführte Paragraph 13b Baugesetzbuch (BauGB) entgegen, der trotz großer Widerstände bis Ende 2022 verlängert wurde. Auch das Bundesbodenschutzgesetz wird nicht ausreichend beachtet. Dabei sind wir schon mitten drin in der Klima- und Biodiversitätskrise. Die Naturschutzflächen sind schon heute zur europäisch geforderten Stabilisierung von Gewässern, Arten und Lebensräumen unzureichend. Immer mehr landwirtschaftliche Flächen gehen verloren. Daher müssen flächenpolitische Ziele deutlich angezogen und rechtlich verbindlich verankert werden.
Der Gebäudebestand macht rund ein Drittel der bundesdeutschen Treibhausgasemissionen aus. Seit den 1960er Jahren bis heute hat sich die Pro-Kopf-Wohnfläche mehr als verdoppelt, von 19 m2 auf heute 47 m2. Energieeinsparungen durch energetische Sanierungsmaßnahmen werden zu großen Teilen durch die Zunahme der zu beheizenden Fläche wieder relativiert. Das Thema Wohnflächensuffizienz wird bislang in Politik, Forschung und Gesellschaft nicht ausreichend diskutiert. Dabei ist das Thema nicht nur aus
ökologischer, sondern auch aus sozialer Sicht wichtig. Eine Umfrage im Rahmen des Forschungsprojekts „LebensRäume“ hat gezeigt, dass von älteren Menschen bewohnte Häuser oft viele ungenutzte Räume bis hin zu ungenutzten Einliegerwohnungen aufweisen, trotz des Wunsches der Bewohner nicht alleine zu wohnen und nach Unterstützung im Haushalt.
Modellierungen zeigen, dass sich der Material- und Rohstoffeinsatz zur Schaffung neuer Wohneinheiten nahezu halbieren und der Flächenbedarf sogar auf bis zu ein Drittel reduzieren lässt, wenn strikt eine Strategie der vertikalen und horizontalen Nachverdichtung verfolgt wird und Leerstände konsequent genutzt oder umgenutzt werden, anstatt dem „Bauen auf der grünen Wiese“. Der Neubau kann durch moderne, energiesparende Bauformen einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise beitragen. Allerdings muss der Trend der Außenentwicklung auf Kosten von immer mehr Acker- und Grünland gestoppt werden.
Das Ziel der Bundesregierung ist es, den Flächenverbrauch auf 30 Hektar pro Tag bis 2030 zu senken und bis 2050 den Netto-Null-Flächenverbrauch (Flächenkreislaufwirtschaft) zu erreichen. Das würde bedeuten, dass neue Fläche nur versiegelt werden dürfte, wenn eine gleich große Fläche zum Ausgleich der Natur zurückgegeben würde. Mit dem Netto-Null-Ziel bis 2050 verschieben wir die Problemlösung mal wieder auf Kosten kommender Generationen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von Ende April dieses Jahres zeigt, dass ein solches Vorgehen sowohl moralisch als auch rechtlich nicht tragbar ist. Wir NaturFreunde schließen uns daher der Empfehlung des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU) an, dass das Netto-Null-Hektar-Ziel bereits bis spätestens 2030 erreicht werden sollte (Umweltgutachten 2016).
Im Moment sieht es aber eher so aus, als würde sich der Konflikt um Fläche und der Umnutzungsdruck von Flächen in Zukunft weiter verschärfen. Auch die Energiewende, Klimaanpassungsmaßnahmen und die Produktion von nachhaltigen Rohstoffen benötigen Fläche, die zu diesen Zwecken umgenutzt werden müssen. Die Erneuerbaren Energien sind entscheidend für den Klimaschutz, sie verbrauchen aber mehr Fläche als die Nutzung von fossilen Energieträgern. Eine Untersuchung des Potsdamer Nachhaltigkeitsinstituts IASS (Institute for Advanced Sustainability Studies) zeigt, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien auf 100 % in Europa am kostengünstigsten bewerkstelligt werden würde durch die Kombination von Windparks an Land und Photovoltaik-Freiflächenanlagen. Der dafür benötigte Flächenbedarf betrüge zwei Prozent der Gesamtfläche Europas, eine Fläche so groß wie die von Portugal. Alternativen wären die Offshore-Windkraft, große Solarparks sowie auf Hausdächern installierte Solaranlagen. Eine Kombination aus diesen drei Alternativen könne die benötigte Fläche um ungefähr die Hälfte reduzieren. Zusatzkosten hingen von der favorisierten Technik ab. Offshore-Windkraft wäre die kostengünstigste Alternative. Die Solardach-Variante wäre die flächensparendste und verbrauchernächste, aber teuerste Variante (maximal 20 % Mehrkosten).
Wir müssen uns als Gesellschaft also entscheiden, was uns der Schutz unbebauter Fläche Wert ist. Wir sagen: Es sollte uns das Geld wert sein! Besonders weil die Folgekosten nicht mit einberechnet werden. Jeder Hektar zusätzlicher Flächenverbrauch und andere nicht nachhaltige Maßnahmen werden die Klimaschutz- und Klimaanpassungskosten in die Höhe treiben. Auch bei dem Thema erneuerbare Energien ist die Mehrfachnutzung und die Nutzung von Synergieeffekten ein entscheidender Faktor (siehe z. B. Agri-Photovoltaik).
Ein aktueller Beitrag zum Thema Flächenverbrauch in Rheinland-Pfalz
Am 5. Dezember ist Weltbodentag
Die NaturFreunde Rheinland-Pfalz sind Mitglied im Bundesbündnis Bodenschutz